Was sind Naturerfahrungsräume?
Unkontrolliertes Spielen im Freien ist für viele Kinder heute ein Luxus. Ständige Beaufsichtigung oder pädagogische Betreuung prägen die Kindheit. Gleichzeitig verschwinden freie, strukturreiche und naturnahe – wilde – Flächen in Städten durch Innenverdichtung oder intensive Nutzung.
Der Landschaftsökologe Hans-Joachim Schemel hat daher Ende der 1990er Jahre neue Flächenkategorien für die naturnahe Erholung in Stadt und Land entwickelt: die Naturerfahrungsräume (NER). Sein Konzept wurde in der Folge in mehreren Städten Deutschlands erfolgreich erprobt, so dass diese Flächenkategorie inzwischen auch in das Bundesnaturschutzgesetz Eingang gefunden hat:
§ 1 (6) BNatSchG: „Freiräume im besiedelten und siedlungsnahen Bereich einschließlich ihrer Bestandteile, wie Parkanlagen, großflächige Grünanlagen und Grünzüge, Wälder und Waldränder, Bäume und Gehölzstrukturen, Fluss- und Bachläufe mit ihren Uferzonen und Auenbereichen, stehende Gewässer, Naturerfahrungsräume sowie gartenbau- und landwirtschaftlich genutzte Flächen, sind zu erhalten und dort, wo sie nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind, neu zu schaffen.“
Naturerfahrungsräume sind Grünflächen auf denen sich die Natur frei entwickeln kann und die sich als „wilde“ Spielräume für Kinder und Jugendliche eignen. Ziel ist es, Natur wieder erfahrbar zu machen.
Da innerstädtische Freiflächen (Parkanlagen, Grünzüge, Spielplätze) in aller Regel intensiv gestaltet und gepflegt werden, sind die Möglichkeiten der alltäglichen Naturerfahrung für Kinder verloren gegangen. Das Erfahren natürlicher Lebensräume von Tieren und Pflanzen ist ihnen fremd geworden.
Wissenschaftliche Untersuchungen haben die Bedeutung von naturnahen, ungestalteten Flächen für eine physisch und psychisch gesunde Entwicklung von Kindern nachgewiesen, auch im Hinblick auf die Entstehungsbedingungen von Kreativität, Intelligenz, Körperbeherrschung und natürlicher Risikokompetenz. Heranwachsende brauchen Raum für vielfältige kreative, selbstbestimmte Aktivitäten ohne permanente Kontrolle und Reglementierung bzw. pädagogische Betreuung durch Erwachsene. Dazu gehört auch der elementare Kontakt mit natürlichen Elementen (Boden, Wasser, Pflanzen und Tiere). Naturerfahrungsräume wirken auch der Tendenz der „Verhäuslichung der Kindheit“ und der damit einhergehenden Bewegungsarmut entgegen.
In Naturerfahrungsräumen gibt es fast keine Verbote. Auf schwieriger Route mit dem Fahrrad durch das Gelände fahren, sich im hohen Gras verstecken, bäuchlings den Hang hinunterrutschen, im Boden graben, Wasser umleiten und aufstauen, aus Ästen Hütten bauen und sie mit Gras auspolstern, Stöcke und Flöten schnitzen, auf Bäume klettern, Obst ernten und Pflanzen sammeln, Tiere beobachten, Fangen spielen oder einfach herumliegen und sich sonnen. Nur Motorsport wird in Naturerfahrungsräumen nicht geduldet.
In Naturerfahrungsräumen wird das Spiel der Kinder und Jugendlichen nicht reglementiert und auch nicht pädagogisch betreut. Gerade der letzte Aspekt unterscheidet sie wesentlich von Abenteuerspielplätzen.
Abgesehen davon können sie die Funktion von Ausgleichsflächen erfüllen, weil sich auf ihnen relativ ungestört eine naturnahe Tier- und Pflanzenwelt entwickeln kann. Die Stadt erhöht dadurch ihren Anteil an naturnaher Fläche und gewinnt so auch deutlich an Lebens- und Wohnqualität und der Stadtteil an Attraktivität.
Weitere Informationen:
Das Konzept für den Naturerfahrungsraum
Für den geplanten Naturerfahrungsraum in Lörick haben wir mit Unterstützung der Planergruppe Oberhausen und dem Gartenamt der Stadt Düsseldorf ein Konzept erstellt. Das Konzept umfasst die Gestaltung des eigentlichen Spielraums für Kinder sowie Pflege- und Gestaltungsmaßnahmen für die gesamte Fläche der ehemaligen Tongrube am Grevenbroicher Weg.
Durch die Ausweisung als öffentliche Grünanlage, vielfältige Vegetations- und Geländestrukturen, die Gesamtfläche von rund 4 ha und die Lage in unmittelbarer Nähe von Wohngebieten ist die Fläche für die Einrichtung eines Naturerfahrungsraums bestens geeignet.
Eine im Jahr 2016 durchgeführte Biotopkartierung ergab, dass das gesamte Gebiet eine hohe ökologische Bedeutung besitzt. Insbesondere die blütenreichen Magergrünlandbrachen und die offenen, sandigen Stellen sind erhaltenswert. Allerdings gehen diese wertvollen Bereiche durch Verbuschung und Nährstoffeintrag stetig zurück. Daher ist es erforderlich, den Gehölzaufwuchs von Zeit zu Zeit zurückzuschneiden, die Dominanzbestände des Japanischen Staudenknöterichs zurückzudrängen und an einzelnen Stellen wieder offene Sandfläche durch Abschieben des Oberbodens zu schaffen.
Aus Sicht des Naturschutzes sollte der Japanische Staudenknöterich durch häufige Mahd vollständig entfernt werden. Gleichzeitig eignet er sich aber auch hervorragend zur Anlage von Labyrinthen und Spielräumen für Kinder. Daher werden wir den Bestand in seiner aktuellen Ausdehnung durch Holzpfähle markiereren. Außerhalb der Markierung werden wir dagegen regelmäßig mähen und damit eine weitere Ausbreitung dieses invasiven Neophyten verhindern.
Die gelegentliche Mahd von Teilflächen und die Beseitigung von Gehölzaufwuchs wird die BUND-Kreisgruppe Düsseldorf mit ehrenamtlichen Kräften durchführen.
Erfolgreicher Experten-Workshop
Am 4. September 2015 trafen sich Experten aus Spielpädagogik, Grünplanung und Naturschutz, um Ideen und Konzepte für einen Naturerfahrungsraum für Kinder in Düsseldorf-Lörick zu entwickeln. Unter Leitung von Doris Törkel (Gartenamt Düsseldorf) und Michael Süßer (BUND Düsseldorf) und mit Unterstützung durch Thomas Dietrich (Planergruppe Oberhausen) untersuchte die Expertengruppe die Biotopfläche am Grevenbroicher Weg auf Ihre Eignung für das Kinderspiel im Freien.
Das einmütige Fazit lautet: hervorragend geeignet als Naturerfahrungsraum.
Im nächsten Schritt wird der BUND Düsseldorf in enger Zusammenarbeit mit dem Gartenamt ein detailliertes Nutzungs- und Entwicklungskonzept erarbeiten.