Bei der Vortragsveranstaltung zum Thema „Stadtgrün in der Klimakrise“ , veranstaltet vom Fachforum „Lebensraum Stadt“, sollte es über die Bedeutung von Stadtgrün hinaus vor allem um die Abhängigkeit des Stadtgrüns von der Klimaerwärmung, insbesondere von ausreichender Wasserversorgung gehen (1).
Nach einer Begrüßung durch Prof. Dr. Erhard Treutner vom Sprecherrat des Fachforum „Lebensraum Stadt“ und einleitenden Worten von Ursula Holtmann-Schnieder (Mitglieds des Rats und des Nachhaltigkeitsbeirats der Stadt) führte Andreas Vollmert durch das Programm.
1. Dr. Steven März
Im ersten Vortrag gab Dr. Steven März (Wuppertalinstitut) zunächst einen kurzen Überblick über die allgemein bekannten Daten zur Klimasituation und zum Waldzustand in Deutschland, der aktuell bereits keine CO2-Senke sondern ein CO2-Emittent ist. In den Städten leiden die Bäume besonders, in Berlin z.B. sind nur noch 40% gesund. Linden halten sich noch am besten, Ahorn, Rosskastanie und Platane leiden mehr.
Seit dem das Klima-Anpassungsgesetz Mitte des Jahres beschlossen wurde rückt das Thema mehr in den Fokus und es hat eine wachsende Lobby. Stadtgrün muss in Zukunft als Infrastruktur betrachtet und behandelt werden. Ziel muss die 3-30-300 Regel sein, womit gemeint ist: jeder Einwohner sollte aus seinem Fenster mindestens 3 Bäume sehen können, 30% der Fläche sollten verschattet sein und jeder sollte in 300m Entfernung eine Grünfläche erreichen. Denn Bäume können in einem Straßenzug die Temperatur in 2m Höhe um 6°C senken! Was aktuell in der EU an Stadtgrün vorhanden ist senkt die Temperatur in Städten im Mittel bereits 1°C. Und da es heisser aber auch nasser wird, und dies zeitlich und räumlich ungleich verteilt, müssen die Städte zu Schwammstädten ausgebaut werden, wo das Wasser möglichst lang an der Oberfläche gehalten wird. Zusätzlich werden Zisternen benötigt, um in Trockenperioden bewässern zu können. Und wenn kein Regenwasser zur Verfügung steht, muss von Trink- auf Brauchwasser umgestellt werden.
Vorreiter sind z.B. Kopenhagen, das systematisch zur Schwammstadt ausgebaut wird und wo sich gezeigt hat, dass dies auch ökonomischer ist als der Ausbau ein Kanalnetzes. Auch Wien baut entsprechend um. Problem dabei sind natürlich die Flächenkonkurrenz mit Park- bzw. Verkehrsflächen und Bauflächen und auch unterirdisch gibt es Konkurrenzen.
2. Ingo Pähler/Joachim Broch
Im zweiten Beitrag vom Amt für Umwelt- und Verbraucherschutz knüpfte zunächst der stellvertretende Amtsleiter Ingo Pähler daran an, indem er erläuterte, dass auch in der Düsseldorfer Wasserwirtschaft ein Paradigmenwechsel erfolgt ist, weg vom einfachen Ableiten des Oberflächenwassers hin zu Schwammstadt-Lösungen. Dies ist schon allein deshalb dringend erforderlich, weil das Kanalnetz, wie gesetzlich vorgegeben, nur für die „Stärke“ 3 (Skala von 1-10) ausgelegt ist, was ja schon verschiedentlich nicht ausgereicht hat.
Herr Broch (Abteilungsleiter Infrastruktur-Vorhaben) erklärte zunächst die Problematik, dass von versiegelten Flächen abfließendes Wasser rechtlich als Abwasser eingestuft ist, was bedeutet, dass die Nutzung ein Genehmigungsverfahren durchlaufen und bestimmte Anforderungen erfüllen muss. Dies gilt dann auch für Schulhöfe oder wenig genutzte Parkplatzflächen und bedeutet Bürokratieaufwand, Zeitverzug und Nutzungs-einschränkungen. Dies wurde am Beispiel einer Baumrigole deutlich: eine als Versickerungsanlage ausgelegte Baumrigole ist genehmigungspflichtig, weil das Wasser ins Grundwasser durchsickert. Eine abgeschlossene Rigole mit einer dichten Lehmwanne dagegen nicht. In Baden-Würtemberg ist diese Abwasser-Regelung bereits deutlich entschärft worden. Initiativen in diese Richtung sind in NRW aber leider bisher ungehört verhallt. Ein weiterer wichtiger Punkt war, dass dem Thema Verdunstung bisher keine ausreichende Bedeutung beigemessen wurde. In der Natur verdunstet der größte Teil des Niederschlagswassers wieder, was einen erheblichen kühlenden Effekt hat, der bei der Kanalisierung komplett wegfällt.
Als Beispiele für den Paradigmenwechsel führte Herr Broch den „Pocket Park“ an der Albertstr. an, wo Niederschlagswasser in ein Becken mit Versickerungszone geleitet, unterirdisch aufgefangen und dann zu den Baumrigolen weitergeleitet wird. In Heerdt sind auf öffentlichen Gebäuden Dachbegrünungen geplant, deren Wasser in den Albertussee geleitet werden sollen. Beim Neubau des Gymnasiums an der Völklinger str. wird der Pausenhof eine Grünfläche mit Baumrigolen, Parkplätze werden in die Grünflächen entwässert, eine große Zisterne sowie Dachbegrünung sind geplant. Beim Neubauprojekt an der Haroldstr. Verdunstungsflächen, Retentionsdächer und eine unterirdische Zisterne vorgesehen. Ein bereits seit 10 Jahren gut funktionierendes Beispiel von Niederschlags-vor-Ort-Versickerung ist die Muldenversickerungsanlage Am Scheitenwege/Auf´m Wettsche.
Für Parkplatzentwässerungen wurde eine Bewertungsmatrix erstellt, die Schadstoffbelastung des Niederschlagswassers, die Schutzbedürftigkeit des Grundwassers, die Grundwassertiefe und weitere Faktoren berücksichtigt. Entsprechend der Klassifizierung wird dann das Entwässerungskonzept für Parkplatzflächen geplant.
Für Wohngrundstücke wurde eine Versickerungspotentialkarte erstellt. Diese ist öffentlich zugänglich und gibt Grundstücksbesitzern eine erste Einschätzung, ob eine Vor-Ort-Versickerung von Niederschlagswasser genehmigungsfähig ist. Weitere Hintergründe und Informationen finden sich unter:
3. Julien Peine
Herr Peine (Abteilungsleitung Gartenanlagen) stellte anschließend das bereits 2015 beschlossene Baumschutzkonzept der Stadt vor. Demnach sollten 1.000 neue Bäume in der Stadt gepflanzt werden.
Im ersten Schritt wurden die größten Defiziträume in der Stadt identifiziert. Im zweiten Schritt wurden diese priorisiert, an erster Stelle standen die Innenstadt, Mörsenbroich und Eller. Der dritte Schritt war eine Detailanalyse möglicher Baumstandorte unter Einbeziehung der anderen zuständigen Ämter wie Verkehrsamt, Feuerwehr u.a. Seither werden neue Baumstandorte in einem strukturierten Umlaufverfahren geprüft, was allerdings ca. 1 Jahr in Anspruch nimmt. Und im vierten Schritt wurde das Pflanzvorgehen festgelegt, d.h es werden 12m3 Baumsubstrat eingebracht, Belüftungsrohre für die Wurzeln und Bewässerungsrohre eingebracht. Der junge Baum wird dann zunächst über den Gießring bewässert bis die Wurzeln aus dem Wurzelballen ins Erdreich wachsen. Dann wird weniger und weiter unten bewässert um die Wurzeln weiter nach unten zu „erziehen“. Inzwischen wurden auch 75.000 Baumstandorte mit je 4 Sensoren ausgestattet, die eine sparsamere, bedarfsgerechte Bewässerung ermöglichen.
Dieses erste Handlungsfeld der Baumpflanzungen an neuen Standorten ist im Kernbereich der Stadt im wesentlichen abgearbeitet und wird in der Peripherie fortgeführt. Die Kosten pro neu gepflanztem Baum betragen 9.500€.
Das zweite Handlungsfeld ist die Erhaltung und Sanierung existierender Bäume. Dabei werden Baumscheiben vergrössert und Boden ausgetauscht. Oder Standorten, an denen sich Bäume nicht halten können, werden mit Pflanzmatten mit Stauden und Blumen bepflanzt (s. z.B. ehemalige Parkplätze an der Hildener Str.). Sanierungsmaßnahmen kosten im Schnitt 4.000€.
Das dritte Handlungsfeld ist die Sanierung von bestehenden Baumstandorten, wo Leitungen im Weg sind. Hier müssen im ungünstigsten Fall Leitungen verlegt werden, was sehr teuer ist. Bisher konnte in allen Fällen jedoch eine kostengünstige andere Lösung, wie z.B. Inliner zum Schutz der Leitungen, zum Erhalt der Bäume gefunden werden.
Das vierte Handlungsfeld betrifft den Ersatz von kranken Bäumen, wie z.B. die Rubinie, die nach 40 Jahren häufig eine Wurzelfäule bekommt, die man von oben nicht erkennt, und die dann einfach umfällt. Eine Ersatzpflanzung kostet 6.000€.
Düsseldorf hat 65.000 Strassenbäume, davon werden 16.000 bewässert, bisher alle 14 Tage mit 150l/Baum per LKW, seit neuestem bedarfsgerecht.
Im Rahmen des Baumschutzkonzept ist die Anzahl aller durchgeführten Maßnahmen von 144 im Jahr 2019 auf 452 im Jahr 2023 gestiegen. Leider hat dies aber bisher nicht zu einer Zunahme der Stadtbäume geführt, da in Summe immer noch mehr Bäume gefällt als neu gepflanzt wurden. Nur in den 2 letzten Jahren war die Baumbilanz leicht positiv.
(1) Veranstaltungsankündigung des Fachforum „Lebensraum Stadt“